Vielfalt und Kreativität: Die Glasboxen

Sechs Glasboxen, unzählige Themen: Wie das ZeitHaus einige seiner interessantesten Stücke präsentiert.

TEXT: JENS MEINERS
FOTOS / VIDEO: JULIA NIMKE
14.03.2023

Sechs Glasboxen gibt es in der Autostadt, drei davon stehen im Freien, direkt vor dem ServiceHaus: Wie in einer Vitrine sind dort immer wieder neue Exponate zu sehen. Sie fallen auf und lenken die Blicke der Besucherinnen und Besucher auf sich. Eingebettet in die einzigartige Architektur und Landschaft der Markenwelt Autostadt werden dort immer wieder andere Fahrzeuge gezeigt, hinter Glas angestrahlt und eingefasst in Metall.

Die Glasboxen sind mit deutlichem räumlichem Abstand voneinander positioniert, fast immer werden die Autos über mehrere Monate hinweg gezeigt. Die Neubestückung erfolgt je nach Bedarf mal gleichzeitig, mal zeitlich versetzt. Was genau dort zu sehen ist, darüber entscheidet Andreas Hornig mit seinem Team: Als Leiter des Bereichs der ZeitHaus Technik hat er Zugriff auf eine enorme Sammlung, die fast 300 Fahrzeuge der unterschiedlichsten Marken umfasst.

Die Qual der Wahl

Bei der Auswahl agiert Hornig vornehmlich Event-getrieben, richtet sich nach aktuellen Themen: In der Welt des Automobils gibt es immer ein Jubiläum zu feiern, es ist immer etwas los. Aktuell ist das beispielsweise die bevorstehende Eröffnung eines neuen, eindrucksvoll gestalteten Audi Pavillons. Zwei Glasboxen sind derzeit der Konzernmarke Ducati vorbehalten, die dort einen Scrambler und eine Panigale zeigt. Die anderen vier sind mit Modellen aus der Audi-Historie bestückt.

Aktuell: Eine Audi Show

Die aktuelle Auswahl zeigt deutlich, dass im ZeitHaus keine Klischees bedient werden. Statt eines zu erwartenden Quattro-Rallyeautos sind deshalb vier Serienmodelle zu sehen, die heute beinahe vergessen sind. Ältestes Modell ist ein Audi 60, eine Variante des ersten echten Nachkriegs-Audi überhaupt. Die Limousine war aus dem noch mit Zweitakt-Motor ausgerüsteten DKW F102 hervorgegangen, rollte mit einem Einstiegs-Vierzylinder von 1968 bis 1972 als Typ 60 vom Band.

In einem weiteren Schaukasten steht ein Audi 100 L von 1972, der erste von Grund auf neukonstruierte Audi. Die leichte, geräumige und gestreckt wirkende Limousine positionierte Audi in der gehobenen Mittelklasse, war ohne Auftrag von Volkswagen konstruiert worden – und hat die Marke wohl vor einem frühzeitigen Tod gerettet.

1974 sorgte der Audi 50 für Furore, ein spritziger und gehoben ausgestatteter Kleinwagen, der parallel zum VW Golf entwickelt worden war, kleiner, aber schwungvoller gezeichnet. Das Auto gefiel in Wolfsburg so gut, dass von ihm eine frugal ausgestattete und schwächer motorisierte Sparvariante abgeleitet wurde: Der VW Polo. Doch nach kurzer Zeit bekam auch der Polo die stärkeren Motoren und besseren Ausstattungen des kleinen Audi 50, der nach vier Jahren Bauzeit eingestellt wurde. Der Polo hingegen startete durch, läuft mittlerweile in der sechsten Generation.

Jüngstes Audi-Exponat in der Glasbox ist ein Audi 100 5E von 1979: Noch relativ konservativ gezeichnet, aber technisch wegweisend mit seinem 136 PS starken Fünfzylinder-Motor, einer Konstruktion des genialen Technikers und späteren Konzernherrn Ferdinand Piëch. Mit diesem Motor wurde kurz darauf die Turbo- und Quattro-Ära eingeleitet, die Audi ins automobile Oberhaus katapultierte.

Bunt und divers

Wenn es sich ergibt, werden mit den Schaukästen Jubiläen gefeiert, etwa das fünfzigste der Formel-Vau-Rennserie: 2015 wurden zu diesem Anlass alle sechs Schaukästen mit den „Volksrennwagen“ bestückt, die in den 60er-und 70er-Jahren einen günstigen Einstieg in den Motorsport ermöglichten. 2018 lud die Autostadt zum „GTI Coming Home“ in die Volkswagen Arena, drei der Glasboxen wurden zu diesem Anlass mit passenden Fahrzeugen gefüllt. Star dabei war ein Golf I GTI „Pirelli“, dessen kultige Felgen vom Designer Eberhard Schulz gestaltet wurden.

Nicht selten werden die Exponate für die Glasboxen mit einem Augenzwinkern gewählt. Zu Weihnachten stehen auch mal ein roter Käfer und ein roter Porsche-Traktor im Kasten, jahreszeitlich in festlichem Ornat. Und im Sommer 2022 hieß das Thema „Picknick in White“: Dazu wurden ein weißer Scirocco I und ein weißes Käfer Cabrio präsentiert. Als nächstes, nach der aktuellen Audi Show, will Hornig das Thema „Zustände“ visualisieren – unter anderem mit einem völlig unrestaurierten Lancia Aurelia aus den 50er-Jahren, einem sprichwörtlichen Scheunenfund.

In den letzten zwei Jahrzehnten standen schon unzählige Autos in den Schaukästen - übrigens immer wieder auch Fremdfabrikate. „Wir haben auch einmal einen Fiat Topolino gezeigt. Die meisten Besucher fanden das gut“, erinnert sich Hornig. Und fügt hinzu sich: „Dieses Konzept war schon mit Ferdinand Piëch besprochen, und das zeigt auch unsere Größe.“