
Das Geheimnis des Dornröschens - die Lancia Aurelia
Eine italienische Ikone, eine Scheune in der Schweiz und viele offene Fragen. Dieses Ausstellungsstück der Autostadt hat eine Vergangenheit, die Glamour und Mystik verbindet.
Birwill in der Schweiz, Ende der 90er Jahre: Ein Autohändler erhält ein Angebot für eine „Lancia Aurelia B10 V6“ Limousine aus dem Jahr 1950 von einem Konkursverwalter. Dieses Modell gehört zur ersten Generation der Aurelias, die ab Produktionsstart ein Verkaufserfolg waren. Das Angebot war verlockend und so beschließt der Händler, den Wagen zu begutachten. Überraschenderweise findet er den Oldtimer in einer Scheune vor, in der das wertvolle Automobil die letzten 30 Jahre einfach abgestellt wurde. Der Schlüssel steckt noch im Zündschloss. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen.
Die mysteriöse Aurelia ist Teil einer glamourösen Fahrzeugfamilie: Weltweite Berühmtheit erlangte die Lancia Aurelia einst mit dem Modell B24 Spider. Vor allem die Rolle des Fahrzeugs im italienischen Komödienklassiker „Il Sorpasso“ von Regisseur Jean Paul Belmondo zementierte ihren Stand als Automobilikone. Die Formen ihrer Karosserie, entworfen vom legendären Designstudio Pininfarina, verliehen der Modellreihe zu Recht den Ruf, eines der schönsten Autos der Welt zu sein.
Bei seiner Begutachtung in der Scheune enthüllt ein näherer Blick des schweizer Autohändlers Erstaunliches. Statt einer für das Modell üblichen Ausstattung, befindet sich unter der Motorhaube des Fahrzeugs eine Technik, die sonst in dieser Zeit eigentlich nur in den Rennwagen, aus den Schmieden von Ferrari und Maserati verbaut ist. Der Fachmann ist verblüfft. Warum rüstetet man die als Firmenwagen angemeldete Limousine derart sportlich aus? Hat die Aurelia früher Rennen bestritten? Aber warum schlummerte ein solches Liebhaberstück dann jahrzehntelang ungepflegt in einem Schuppen?
Selbst die Dokumente werfen Rätsel auf. Die Erstzulassung ist auf das Jahr 1951 datiert, doch die Fahrzeugpapiere, angeblich aus erster Hand, stammen von 1965. Da der Autohändler nicht die nötige Expertise zur Restaurierung der Aurelia besitzt, entschließt er sich, den seltenen Wagen in die Hände von Spezialisten zu übergeben.
So führt der Weg des mittlerweile 52-jährigen Oldtimer 2002 in die Autostadt, wo die Profis des Zeithaus sich der Aurelia annehmen. Besucherinnen und Besucher können dort bis heute dieses besondere Modell bestaunen, dessen Design neue Maßstäbe setzte und dessen Technik Komfort und Sportlichkeit vereint. Die meisten Rätsel um den Scheunenfund aus der Schweiz bleiben ungelöst. Doch zumindest darf sie in Wolfsburg ihren Dornröschenschlaf nun unter besten Bedingungen und unter liebevoller Betreuung fortsetzen.